Bonn (gtai) - Kolumbien ist 2010 mit einem Wirtschaftswachstum von 4,5% wieder klar auf Wachstumskurs. Für die kommenden Jahre werden noch höhere Werte erwartet. Das Land erlebt seit Jahren einen Boom ausländischer Direktinvestitionen. Chancen für deutsche Investoren und Technologie bieten sich bei Infrastrukturprojekten sowie bei der Entwicklung der Biokraftstoffproduktion und alternativer Energiequellen. Positiv auf das Wirtschaftsklima wirkt sich die bemerkenswerte Stabilität Kolumbiens sowie die deutlich verbesserte Sicherheitslage aus.
1 Wirtschaftsstruktur
1.1 Kurzcharakterisierung der kolumbianischen Wirtschaft
Kolumbien ist, gemessen an seiner Einwohnerzahl (45,5 Mio.), nach Brasilien und Mexiko das drittgrößte Land Lateinamerikas, der Fläche nach (1,14 Mio. qkm) das fünftgrößte nach Brasilien, Argentinien, Mexiko und Peru. Es verfügt über große Rohstoffreserven (Kohle, Gold, Öl), große nicht oder nicht optimal genutzte landwirtschaftliche Flächen, eine in Teilen bereits entwickelte Industrie und Zugang sowohl zum Atlantischen als auch zum Pazifischen Ozean. Der Entwicklungsstand weist Kolumbien laut Weltbank als "upper middle income country" aus. Im "Human Development Report 2007/08" des United Nations Development Programme (UNDP) wird Kolumbien als ein Land mit mittlerem Entwicklungsstand eingestuft. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) lag nach Angaben der kolumbianischen Zentralbank 2010 bei 285,5 Mrd. US$, das Pro-Kopf-Einkommen bei 6.273 US$.
Ein zentrales Problem Kolumbiens bleibt die extrem ungleiche Einkommensverteilung. Ein Fünftel der Bevölkerung verfügt über 63% des Vermögens, das ärmste Fünftel muss sich mit 2,5% begnügen. Der GINI-Koeffizient von derzeit 0,57 ist einer der ungünstigsten der Region. Die Armutsrate liegt bei circa 46%, die extreme Armut bei 16%. Das kolumbianische Statistikamt DANE definiert ein Pro-Kopf-Monatseinkommen von bis zu rund 140 US$ als Armut, unter rund 60 US$ als extreme Armut. Hinzu kommen ein ausgeprägtes Entwicklungs- und Wohlstandsgefälle zwischen Stadt und Land. Die Einkommen auf dem Land liegen circa 60% unter denen in den Städten; die Hauptstadt Bogotá mit ihren rund 7 Mio. bis 8 Mio. Einwohnern erwirtschaftet 25 bis 30% des BIP. Der stark ausgeprägte informelle Sektor wird auf 60% geschätzt.
Negative Auswirkungen haben auch die Drogenökonomie und der seit über 40 Jahren andauernde interne Konflikt. Letzterer verursacht enorme volkswirtschaftliche Kosten. Die Narco-Guerilla und andere bewaffneten Banden finanzieren sich hauptsächlich über Drogengeschäfte. Aus diesen fließen, meist auf Umwegen, allerdings auch Gelder in die legale Wirtschaft. Es gibt Schätzungen, wonach die Drogenökonomie indirekt zwischen 10 und 20% des BIP generiert.
Kolumbien zeichnet sich dennoch durch eine große Stabilität aus. In den vergangenen 50 Jahren hat es keine politischen Umbrüche gegeben, die die demokratischen Institutionen in Frage gestellt hätten. Die Sicherheitslage hat sich seit 2002 deutlich gebessert, was sich positiv auf das Wirtschaftsklima ausgewirkt hat. Der seit August 2010 amtierende Präsident Santos setzt im Kern die Politik der Vorgängerregierung fort, hat dessen Politik der "Demokratischen Sicherheit" aber als "Demokratischer Wohlstand" um das Ziel eines sozialen Ausgleichs und einer nachhaltigen, alle Bevölkerungsschichten erfassenden wirtschaftlichen Entwicklung erweitert. Ob diese ambitiösen Pläne erfolgreich sein werden, lässt sich nicht abschätzen. Vereinzelt wird Kritik von Unternehmerseite laut, wonach der trotz erheblichen Verbesserungen nach wie vor unzureichenden Sicherheitslage seitens der Regierung keine hinreichende Beachtung gewidmet werde.
Seit Anfang der 1990er Jahre haben unterschiedliche kolumbianische Regierungen unverändert an einem Kurs des freien Welthandels festgehalten und aktiv um ausländische Investitionen geworben. Gleichzeitig versucht die Regierung, Kolumbien durch ein Netz von Freihandelsabkommen systematisch in die Weltwirtschaft einzugliedern. Auch wenn es in der Praxis immer wieder zu Fällen von Protektionismus und der Abschottung von Märkten kommt, ist Kolumbien eine der offensten Ökonomien der Region.
1.2 Struktur der Wirtschaft
Der "Global Competitiveness Report 2007/08" des Weltwirtschaftsforums sieht die kolumbianische Wirtschaft im Übergang von einer rein "faktorgetriebenen" zu einer stärker innovationsgetriebenen Wirtschaft. Maßgeblich für diese Einstufung ist der in den letzten Jahren gewachsene Anteil von Industriegütern und Dienstleistungen an den Gesamtexporten, auch wenn der Anteil der traditionellen Exporte (vor allem Erdöl, Ölderivate, Kohle, Ferronickel, Gold und landwirtschaftliche Rohprodukte) seit 2008 wieder stark angestiegen ist.
Auch der relative Anteil der verschiedenen Sektoren am BIP und an den Beschäftigtenzahlen deutet darauf hin, dass die kolumbianische Wirtschaft einen Transitionsprozess durchläuft. Die Anteile der verarbeitenden Industrie am BIP und an den Beschäftigtenzahlen bewegen sich bei 13 beziehungsweise 14%, die von Land- und Forstwirtschaft bei 12 beziehungsweise 20%, die der Bergbau- und Rohstoffwirtschaft bei 7 beziehungsweise 9%. Bergbau und Rohstoffe, obwohl im Export von großer Bedeutung, haben nur einen relativ geringen Anteil am BIP. Der Anteil der Landwirtschaft an BIP und Beschäftigtenzahlen ist relativ klein. Kolumbien ist kein primär agrarisch geprägtes Land mehr. Dennoch ist das Land hinsichtlich seiner Hauptexportprodukte weiter von Agrarprodukten und Rohstoffen abhängig.
Kurz- und mittelfristig wird die Bedeutung des Bergbaus und des Öl- und Gassektors weiter steigen. In den letzten Jahren ist im Durchschnitt die Hälfte sämtlicher ausländischer Investitionen in diesen Sektor geflossen, die Zahl der Explorations- und Fördervorhaben wächst ständig.
Die kolumbianische Wirtschaft weist einen relativ hohen Konzentrationsgrad auf. Die 100 größten Unternehmen erwirtschaften etwa die Hälfte des BIP, die 1.000 größten 80%. Im internationalen Maßstab sind die kolumbianischen Unternehmen relativ klein und deshalb nur begrenzt international konkurrenzfähig.
2 Wirtschaftslage
2.1 Ausgewählte Sektoren
Ölförderung
Die nachgewiesenen Ölreserven Kolumbiens belaufen sich nach offiziellen Angaben 2010 auf 1,68 Mrd. Barrel. Damit bleibt Kolumbien zwar weit hinter den großen Förderländern in der Region zurück (Venezuela verfügt über 81 Mrd. Barrel, Mexiko über 26,9 Mrd. Barrel; deutlich größere Reserven haben ferner Brasilien und Ecuador). Dennoch ist Kolumbien mit 500.000 Barrel/Tag Nettoexporteur. Auf Rohöl und dessen Derivate entfallen 34,1% der Gesamtexporte (2009: 10,3 Mrd. US$).
Die teilprivatisierte Ölgesellschaft ECOPETROL vermutet, dass die potenziellen Reserven ein Vielfaches der nachgewiesenen betragen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass große Teile des Staatsgebiets infolge des internen Konflikts, der Investitionen in den teilweise abgelegenen Fördergebieten behindert hat, unerforscht sind.
Ausländische Investoren sind willkommen. Insgesamt sind laut Regierungsangaben 120 internationale Unternehmen im Land aktiv. Die ausländischen Investitionen in diesem Sektor (2009: 2,95 Mrd. US$) machen seit einigen Jahren 25 bis 30% der gesamten ausländischen Investitionen aus, Tendenz steigend. Kolumbien wirbt neuerdings insbesondere um Investoren aus Asien (VR China, Korea Rep.). ECOPETROL investiert massiv in Explorations- und Infrastrukturvorhaben (Leitungen, Modernisierung und Ausbau der Raffineriekapazitäten, auch mit dem Ziel, die Qualität der Derivate zu verbessern).
Die Investitionen in Exploration, Infrastruktur und Petrochemie dürften mittelfristig ihr hohes Niveau beibehalten. Sie bieten auch für deutsche Unternehmen Geschäftschancen.
Bergbau
Das Bergbaupotenzial gilt als groß, auch wenn es bisher nicht systematisch erforscht worden ist. Bekannt ist, dass Kolumbien über reichhaltige Lagerstätten von Kohle, Gold, Ferronickel, Platin, Smaragden, Baumaterialien und Mineralstoffen für Düngemittel verfügt. Die Weltbank (Mining Policy Division) bezeichnet Kolumbien deshalb neben Peru als lohnendstes Zielland für Bergbauinvestitionen in Lateinamerika.
Bereits heute ist Kolumbien ein bedeutender Lieferant von Kohle, Ferronickel und Smaragden. Bei Kohle ist Kolumbien, gemessen an der Fördermenge, die Nummer eins in Lateinamerika und die Nummer zehn weltweit. Für die EU ist Kolumbien der fünftgrößte Lieferant von Steinkohle. Angaben der Regierung zufolge belaufen sich die bekannten Kohlereserven Kolumbiens auf 7,05 Mrd. Tonnen. Das Potenzial wird deutlich höher geschätzt.
Die Tatsache, dass Kolumbien Zugang zum Pazifik und zum Atlantik hat, gilt insbesondere für den Export von Massengütern wie Kohle als Standortvorteil, auch wenn die Transportinfrastruktur völlig unzureichend ist. Festzuhalten bleibt, dass in den nächsten Jahren mit einer weiteren Expansion des Bergbaus zu rechnen ist. Der angesichts der aktuellen Strukturen des Bergbausektors zu erwartende Investitionsbedarf birgt interessante Chancen für Ausrüstungslieferanten.
Infrastruktur
Die kolumbianische Regierung hat insgesamt fünf Entwicklungsschwerpunkte für die kommenden Jahre identifiziert; hierzu gehören neben der Förderung technologischer Innovation und stärkerer sozialer Kohäsion auch der Ausbau der Infrastruktur. Der "Global Competitiveness Report 2007/08" des Weltwirtschaftsforums hatte Kolumbien hohen Bedarf an Infrastrukturinvestitionen bescheinigt; zugleich bewertete der Bericht die Investitionsbedingungen in diesem Bereich als gut. Großprojekte wie die Ruta del Sol (Ausbau der Straßenverbindung von Bogotá an die Karibikküste, 940 km, 2,5 Mrd. US$), die Ruta de la Montaña (Ausbau der Verbindung von Bogotá an die Pazifikküste, 328 km, 593 Mio. US$) und andere Straßenbauprojekte sowie der Ausbau und die Konzessionierung der Häfen von Buenaventura (Pazifik), Barranquilla und Santa Marta (beide Karibik) befinden sich in der Planungs- oder Vergabephase. Hinzu kommen diverse Nahverkehrssysteme, die entweder in der Planungsphase (Metro Bogotá) oder bereits im Bau (Cali, Barranquilla, Cartagena, Bucaramanga) sind.
Die Regierung will die Umsetzung der Infrastrukturvorhaben forcieren. Insgesamt sollen in den kommenden zehn Jahren über 100 Mrd. US$ investiert werden (der größte Teil soll allerdings von privaten Investoren kommen). Auch hier bieten sich Chancen für Investoren und Ausrüster.
Erneuerbare Energien
Der Anteil erneuerbarer Energien am Primärenergieverbrauch Kolumbiens beträgt 27,2%. Der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung ist mit 78,3% wesentlich höher, wobei 77,2% auf Wasserkraft entfallen. Kolumbien möchte diesen Anteil durch verschiedene Wasserkraftwerksprojekte weiter erhöhen.
Wichtigster Wachstumssektor ist die Produktion von Biokraftstoffen. Kolumbien ist bereits jetzt drittgrößter Bioethanol- und viertgrößter Palmölhersteller weltweit. Die kolumbianische Regierung fördert die Produktion und Erforschung von Biokraftstoffen gezielt. Die Anbaufläche soll um 100.000 ha pro Jahr erweitert werden, wobei auf bereits urbares, aber nicht oder nicht optimal genutztes Land zurückgegriffen werden soll.
In den letzten Jahren wurden verschiedene Fördermaßnahmen verabschiedet. Seit 2008 muss Benzin 10% Bioethanol, Diesel mindestens 5% Biodiesel enthalten. Die Produktion reicht allerdings noch nicht aus, um den Bedarf zu decken. Am 31.3.09 erließ die Regierung ein Dekret, wonach ab 2012 mindestens 60% der von jedem Hersteller angebotenen Fahrzeuge mit Ottomotor für E-85-Treibstoff (enthält mindestens 85% Bioethanol) geeignet sein müssen. Seit dem Erlass dieses Dekrets besteht eine andauernde, nicht abgeschlossene Diskussion zwischen Importeuren ausländischer Fahrzeuge und der kolumbianischen Regierung, da die vorgesehenen Standards (ab 2012 E 10 und B 10) mit den Motoren der meisten europäischen Hersteller nicht kompatibel sind. Die kolumbianische Regierung hat mehrfach - zuletzt auch durch Präsident Santos während seines Deutschlandbesuchs im April 2011 - eine Modifizierung des Dekrets zugesagt.
Regierung und Unternehmen äußern immer wieder Interesse an deutscher Technologie zur Entwicklung der Biokraftstoffproduktion und alternativer Energiequellen.
2.2 Offenheit gegenüber der Weltwirtschaft
Exporte
Kolumbien verzeichnete zwischen 2003 und 2008 deutlich steigende Exportzahlen (2008: 25%). Der Anteil der Exporte am BIP liegt bei circa 30%. Nach den vorübergehenden Einbrüchen 2008/09 konnte Kolumbien inzwischen wieder an diese positive Entwicklung anknüpfen.
Die sogenannten traditionellen Exporte (Erdöl/Derivate, Kohle, Ferronickel, Kaffee) stellten in den vergangenen Jahren wertmäßig etwa die Hälfte der kolumbianischen Gesamtexporte. Die wichtigsten traditionellen Exportprodukte waren Öl und -derivate (wertmäßiger Anteil an den Gesamtexporten: 31,3%), Kohle (16,5%), Kaffee (4,7%) und Ferronickel (2,2%).
Wichtigste nichttraditionelle Exportgüter Kolumbiens waren 2009 chemische Produkte (12,2%), Gold (10,5%), Papier und -produkte (10,3%), Lebensmittel (7,4%), Textilien (7,3%), Kunststoffe (5,7%), Zucker und Süßwaren (5,6%), Pflanzen und Blumen (5,1%), Metallerzeugnisse (4,7%), Konfektionsware (4,4%), Bananen (4,2%), Tiere und -produkte (3,8%), Elektroartikel (3,5%), Lederwaren (2,0%) sowie Fahrzeuge und -teile (1,9%). Besonders stark zurück gegangen sind 2009 die Exporte von Leder und Lederwaren (-56,7%), Textilien von Konfektionen (-50,3%) sowie Fahrzeugen und Fahrzeugteilen (-49,9%), in allen drei Fällen hauptsächlich wegen der venezolanischen Importrestriktionen.
Wichtigste Abnehmer kolumbianischer Exporte waren 2010 die USA (42,5%) gefolgt von der EU (14,3%), der Andengemeinschaft (Ecuador, Peru, Bolivien; 7,4%) und der VR China (4,9%). Die Zahlen belegen, dass Kolumbien sehr stark von einigen wenigen Exportmärkten abhängig ist, den USA (insbesondere bei traditionellen Exporten), der EU und der Andengemeinschaft.
Innerhalb der EU ist Deutschland seit Jahren größter Abnehmer kolumbianischer Exporte (circa 25%) mit deutlichen Steigerungsraten (2010: 935 Mio. Euro). Die wichtigsten nach Deutschland ausgeführten Produkte sind Steinkohle mit 55,4%, Südfrüchte mit 24,1%, Kaffee mit 8,3% und Blumen.
Eine Besonderheit der kolumbianischen Statistik ist, dass diese bei Exporten in die EU teilweise nicht die einzelnen Bestimmungsländer erfasst, sondern auf den Bestimmungshafen abstellt, so dass der Anteil der Niederlande unrealistisch hoch sein dürfte und Exporte nach Deutschland und in andere Staaten der EU beinhaltet.
Festzuhalten ist ferner die Entwicklung der Exporte in die VR China, die auf 4,9% des Gesamtvolumens gestiegen sind. Die VR China dürfte sich zu einem der wichtigsten Zielländer für kolumbianische Exporte entwickeln, wie das bei anderen Ländern in der Region bereits der Fall ist.
Importe
Wichtigste Importprodukte Kolumbiens waren Investitionsgüter und Industrieprodukte: Maschinen (15,9%), Elektro- und elektronisches Gerät (9,2%), Fluggerät (8,0%), Fahrzeuge und -teile (8,0%), chemische und organische Produkte (4,5%), Kunststoffe und -erzeugnisse (4,0%), pharmazeutische Produkte (3,9%), Getreide (3,6%) sowie Treibstoffe und Mineralöle (3,8%).
Die wichtigsten Herkunftsländer der kolumbianischen Importe waren 2010 die USA (25,8%), VR China (13,5%), Mexiko (9,5%), Brasilien (5,8%), Deutschland (4,1%) und Argentinien (3,7%).
Das Volumen der Importe aus Deutschland wird in der kolumbianischen Statistik für 2010 mit 0,9 Mrd. Euro beziffert. Aus Deutschland wurden in erster Linie chemische Erzeugnisse, Maschinen, Fahrzeuge und -teile, Elektrotechnik, Mess- und Regeltechnik sowie elektronische Produkte importiert.
Bis auf Zollschranken gibt es keine förmlichen Importbeschränkungen. Es gibt jedoch eine Reihe von Regelungen, die insbesondere für den Automobilsektor nichttarifären Handelshemmnissen gleich kommen. Kolumbien hat sich gegenüber der EU im Rahmen der Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen dazu verpflichtet, diese Schranken abzubauen.
Handelsbilanz
Kolumbien ist es gelungen, seine traditionell negative Handelsbilanz weitgehend auszugleichen. Exporten in Höhe von 39,8 Mrd. US$ standen 2010 Importe von 40,7 Mrd. US$ gegenüber.
Ausländische Direktinvestitionen
Kolumbien erlebt seit mehreren Jahren einen Boom ausländischer Direktinvestitionen. Seit 2005 bewegen sie sich auf einem Niveau zwischen 6 Mrd. und 10 Mrd. US$ (2005: 10 Mrd.; 2006: 6,7 Mrd.; 2007: 9,5 Mrd.) und erreichten 2008 den Rekordwert von 10,6 Mrd. US$. Angaben der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL) zufolge stand Kolumbien als Empfänger ausländischer Direktinvestitionen in Lateinamerika 2008 nach Brasilien, Mexiko und Chile an vierter Stelle. Sorge bereitet allerdings der Umstand, dass der hohe Anteil der Investitionen, die in den Rohstoffsektor fließen, auch 2010 weiter gewachsen ist, zu Lasten insbesondere der Industrie.
Die EU war vor den USA größter Investor. Innerhalb der EU führen Großbritannien, Spanien und Frankreich die Statistik an. Zunehmende Bedeutung kommt der VR China als Investor zu, die sich insbesondere im Bergbau- und Minensektor, aber auch beim Ausbau der Infrastruktur hervortut und hier langfristige strategische Interessen zur eigenen Rohstoffsicherung verfolgt.
An deutschen Direktinvestitionen in Kolumbien verzeichnet die Statistik der Bundesbank 702 Mio. Euro für Ende 2009 (unmittelbare und mittelbare Investitionen konsolidiert). Deutsche Unternehmen (2010: 35) sind in der Elektrobranche, im Telefon- und Fernmeldewesen, in der chemischen Industrie, in der Metallindustrie, der Autobranche und im Gesundheitswesen tätig.
Kolumbien ist Mitglied der Weltbank, der Welthandelsorganisation (WTO), der Interamerikanischen Entwicklungsbank (IADB) und des Internationalen Währungsfonds (IWF). Mit der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) unterhält Kolumbien Arbeitsbeziehungen. Erklärtes Ziel Kolumbiens ist ein möglichst baldiger Beitritt zur OECD.
2.3 Aktuelle Wirtschaftsentwicklung, konjunkturelle Lage
Nach mehreren Jahren sehr dynamischen Wirtschaftswachstums zeichnete sich in Kolumbien Anfang 2008 eine Verlangsamung ab, die ab Ende 2008 durch die Auswirkungen der internationalen Finanzkrise verschärft wurde. Das Wirtschaftswachstum erreichte 2008 zwar noch 2,5%, fiel 2009 auf 0,4% zurück. Die wichtigsten Faktoren für den Abschwung waren der Einbruch der Auslandsnachfrage (insbesondere in USA, Venezuela, Ecuador) und der Rohstoffpreise sowie der Rückgang der ausländischen Direktinvestitionen und der Überweisungen im Ausland arbeitender Kolumbianer (drittwichtigste Devisenquelle).
Der Rückgang der Konjunktur hatte auch zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit von knapp über 9% Ende 2007 auf 11,8% im Jahr 2010 niedergeschlagen Die Arbeitslosenzahlen lassen allerdings wegen der hohen Zahl der im informellen Sektor beschäftigten Menschen nur bedingt Rückschlüsse auf die Entwicklung der sozialen Lage zu.
Kolumbien hat die Krise überwunden. Die Wachstumsraten für 2010 haben die ursprünglichen Schätzungen der kolumbianische Regierung deutlich übertroffen. Klar ist, dass die Entwicklung der kolumbianischen Wirtschaft stark von der Entwicklung in den USA, Europa und Asien abhängen wird. Der IWF stellt fest, dass Kolumbien vergleichsweise gut gerüstet ist, um externe Schocks wie die internationale Finanzkrise abzufangen. Nach mehren Jahren starken Wachstums und solider Fiskalpolitik verfüge das Land über relativ stabile Finanzen. Die meisten Unternehmen, seien ausreichend mit Eigenkapital ausgestattet und dank in den letzten Jahren stark zugenommener Investitionen und damit verbundener Produktivitätsfortschritte profitabler und wettbewerbsfähiger als früher.
3 Wirtschaftspolitik
3.1 Fiskalpolitik
Die kolumbianische Regierung verfolgt eine strikte Konsolidierungspolitik, die sich begünstigt durch die anhaltend gute Konjunktur der vergangenen Jahre und damit verbundene Steuermehreinnahmen, in einer langsamen Verringerung der Defizite der öffentlichen Haushalte, einem Rückgang der Staatsverschuldung, der Auslandsschuld und der Schuldendienstquote niedergeschlagen hat. Im Jahr 2010 betrug das Haushaltsdefizit der Zentralregierung 3,9% (2009: 4,2%). Die Staatsverschuldung belief sich 2010 auf 39,1% des BIP (2009: 40,3%)
Die Regierung hat Maßnahmen getroffen, die Investoren anlocken sollen, wie die Reduzierung der Einkommens- und Unternehmenssteuern (der Höchstsatz sank von 38,5 auf 34%) sowie die Einführung von Sonderwirtschaftszonen (zonas francas), die für bestimmte Branchen ab einer bestimmten Investitionssumme beziehungsweise bei Schaffung einer Mindestzahl von Arbeitsplätzen unter anderem eine Befreiung von Importzöllen auf Investitionsgüter und eine Reduzierung der Ertragssteuer auf 15% ermöglicht.
Eine Herausforderung besonderer Art stellt der wachsende Zufluss von Devisen aus dem Export von Rohstoffen dar. Experten warnen vor den Folgen der "holländischen Krankheit". Als Holländische Krankheit wird ein außenwirtschaftliches Paradoxon bezeichnet, gemäß dem es in erfolgreich exportierenden Volkswirtschaften über Wechselkursentwicklungen zu einem ökonomischen Niedergang kommen kann. Eine zentrale Frage lautet, wie das System der "regalías", das einen Teil der Lizenz-Einnahmen den Gebietskörperschaften zuweist, in deren Territorium der Rohstoff gefördert wurde, verbessert werden kann. Die Regierung hat im Mai 2011 ein entsprechendes Gesetz erlassen. Dabei geht es zunächst um die sinnvolle Investition dieser Mittel, darüber hinaus aber auch darum, wenigstens einen Teil der Mittel anzusparen.
3.2 Geldpolitik
Die unabhängige Nationalbank Kolumbiens (Banco de la República) hatte bis 2008 mit einer starken Inflationstendenz zu kämpfen. Nachdem die Inflationsrate 2008 noch 7,7% betragen hatte, liegt sie 2010 bei leicht steigender Tendenz bei 3,2%, eine der niedrigsten Quoten der vergangenen 50 Jahre.
Die Zentralbank hat seit September 2008 eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die Liquidität zu erhöhen, unter anderem Senkung der Mindestreservesätze, Erhöhung der Laufzeiten für Liquiditätsüberbrückungen, Rückkauf von Schatzpapieren. Mit dem Ziel, die starken Schwankungen des Dollarkurses auszugleichen, intervenierte die Zentralbank wiederholt auf dem Währungsmarkt. Seit Mitte Dezember 2008 begann sie den Leitzins zu senken, von 10% auf inzwischen 3,5%, eine Maßnahme, die Regierung und Unternehmer seit langem gefordert hatten. Angesichts des nachlassenden Inflationsdrucks wird erwartet, dass der Leitzins auf diesem Niveau bleibt.
Der Devisenverkehr unterliegt grundsätzlich keinen Beschränkungen, allerdings einer Registrierungspflicht bei der Nationalbank im Rahmen des sogenannten Foreign Exchange Market. Die Registrierung ist eine Kontrollmaßnahme gegen Geldwäsche.
Seit 1999 ist der Wechselkurs flexibel.
3.3 Strukturpolitik
Der "Global Competitiveness Report 2007/08" des Weltwirtschaftsforums bezeichnet die mangelnde Infrastruktur als eines der zentralen strukturellen Probleme der kolumbianischen Wirtschaft. Der "Nationale Entwicklungsplan" sieht in diesem Bereich Investitionen in Höhe von über 100 Mrd. US$ vor und bezeichnet diese als prioritär. Der größte Teil soll von privaten Investoren kommen. Der Löwenanteil davon ist für Ausbau und Erhaltung des Straßennetzes bestimmt, außerdem für Nahverkehrssysteme. Noch zum alten Entwicklungsplan gehörte die 2006 erfolgte Vergabe der Konzession zur Modernisierung und zum Betrieb des Flughafens Bogotá (Finanzvolumen 650 Mio. US$) an das Konsortium Opaín, unter anderem mit Zürich Airport.
3.4 Außenwirtschaftspolitik
Die Regierung Uribe hat die Integration der kolumbianischen Wirtschaft in die Weltwirtschaft gezielt vorangetrieben. Dabei ging es ihr vor allem darum, (a) den Zugang zu wichtigen Märkten wie den USA und der EU durch Freihandelsabkommen, die einseitig gewährte Handelspräferenzen ersetzen sollen, abzusichern; (b) neue Märkte zu erschließen, um die Abhängigkeit der kolumbianischen Exportwirtschaft von den USA, Venezuela und Ecuador aufzulösen; (c) ausländische Direktinvestitionen anzuziehen.
Freihandelsabkommen mit den USA, der EU, Kanada und der EFTA
Ein wichtiges Ziel bleibt die Ratifizierung des Freihandelsabkommens mit den USA. Aus kolumbianischer Sicht geht es nicht nur darum, die bislang von den USA gewährten begrenzten Zollpräferenzen (Andean Trade Preference and Drug Eradication Act - ATPDEA) durch eine permanente Regelung zu ersetzen, und Wettbewerbsnachteile gegenüber den Ländern inner- und außerhalb der Region zu vermeiden, die mit den USA Freihandelsabkommen abgeschlossen haben. Die Unterzeichnung durch beide Präsidenten erfolgte im November 2006. Die Ratifizierung in den USA kam allerdings seitdem nicht voran, da sich die demokratische Kongressmehrheit unter Hinweis auf die Menschenrechtslage weigerte, dem Abkommen zuzustimmen. Ergebnis des Besuchs von Präsident Santos in den USA im Frühjahr 2011 war, dass die Obama-Administration ihre Bereitschaft bekundete, den Abkommensentwurf dem Kongress zuzuleiten. Allerdings soll die Annahme des Abkommens an enge Parameter zur Verbesserung der Menschenrechtslage und der Arbeits- und Sozialbedingungen in Kolumbien geknüpft werden. Inwiefern das Abkommen tatsächlich im Laufe des Jahres den Kongress passieren wird, ist ungewiss.
Am 18.5.10 wurde auf dem EU-Lateinamerika Gipfel in Madrid das Freihandelsabkommen zwischen Kolumbien und der EU unterzeichnet. Auch hier geht es aus kolumbianischer Sicht um die Ablösung der einseitig durch die EU gewährten Handelspräferenzen (GSP plus) durch eine dauerhafte, besser kalkulierbare und umfassendere Lösung. Nach dem Scheitern der Gespräche über ein Assoziierungsabkommen zwischen der Andengemeinschaft (Comunidad Andina de Naciones - CAN; Mitglieder sind neben Kolumbien Ecuador, Peru und Bolivien) und der EU verhandelte die EU-Kommission seit Anfang 2009 mit Kolumbien und Peru ein sogenanntes mehrseitiges Freihandelsabkommen.
Ob das Freihandelsabkommen auf europäischer Seite auch von den Mitgliedstaaten ratifiziert werden muss, ist weiter offen. Es soll im Herbst 2011 durch die Kommission an das Europa-Parlament weitergeleitet werden. Mit einer Abstimmung wird für das Frühjahr 2012 gerechnet.
Kolumbien hat 2008 überdies Freihandelsabkommen mit der EFTA und Kanada abgeschlossen.
Regionale Wirtschaftsintegration
Große Bedeutung misst die kolumbianische Regierung der regionalen Wirtschaftsintegration bei. Grundpfeiler der regionalen Wirtschaftsintegration sind die Andengemeinschaft (Comunidad Andina de Naciones - CAN) und die lateinamerikanische Wirtschaftsgemeinschaft ALADI (Asociación Latinoamericana de Integración).
Im Rahmen von ALADI hat sich ein System subregionaler Präferenzsysteme entwickelt, die einzelne Mitgliedstaaten für bilaterale Handelserleichterungen nutzen. Kolumbien hat im Rahmen von ALADI sogenannte Vereinbarungen über partielle Handelserleichterungen (Acuerdos de Alcance Parcial) mit El Salvador, Guatemala, Honduras, Costa Rica, Nicaragua und Panama sowie Kuba abgeschlossen.
Bereits seit 1995 existiert ein dreiseitiges Freihandelsabkommen zwischen Kolumbien, Mexiko und Venezuela (Tratado de Libre Comercio - G3), das von Venezuela 2006 gekündigt wurde.
Am 8.5.09 ist ein Freihandelsabkommen mit Chile in Kraft getreten. Der mit Abstand wichtigste Markt für kolumbianische Produkte in der Region ist traditionell das Nachbarland Venezuela. Obwohl die Wirtschaften beider Länder aufs engste miteinander verflochten sind (Venezuela ist insbesondere auf Nahrungsmittellieferungen aus Kolumbien angewiesen), haben einseitig durch Venezuela verhängte Importrestriktionen 2009 zu einem Rückgang der kolumbianischen Exporte in dieses Land um knapp 37% geführt. Die seit Amtsantritt der Regierung Santos deutliche Verbesserung der politischen Beziehungen auf pragmatischer Basis hat zu einer teilweisen Wiederbelebung der bilateralen Wirtschaftskontakte geführt.
Bilaterale Investitionsschutz- und Doppelbesteuerungsabkommen
Mit dem Ziel, verstärkt ausländische Direktinvestitionen anzuziehen, verhandelt Kolumbien mit einer Reihe von Ländern bilaterale Investitionsschutz- und Doppelbesteuerungsabkommen.
In den vergangenen zwei Jahren wurden bilaterale Investitionsschutzabkommen mit Spanien, Luxemburg, der Schweiz, Großbritannien, Peru und China verhandelt beziehungsweise abgeschlossen. In Verhandlungen befinden sich Investitionsschutzabkommen mit Deutschland, Frankreich, Korea (Rep.) und Japan.
Doppelbesteuerungsabkommen wurden abgeschlossen mit Spanien, Chile, Mexiko, der Schweiz und Kanada. In Verhandlung befinden sich Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland, den Niederlanden, der Tschechischen Republik, Indien und den USA.
3.5 Zusammenfassende Bewertung, Perspektiven
Kolumbien hat die Folgen der internationalen Wirtschaftskrise der Jahre 2008/09 überwunden und ist 2010 mit 4,5% wieder klar auf Wachstumskurs. Für die kommenden Jahre besteht berechtigte Hoffnung auf noch höhere Werte. Experten halten auf Dauer ein Wachstum von mindestens 5% für erforderlich, um das Land auf seinem Weg hin zu einem Schwellenland weiter voranzubringen und potenzielle soziale Konflikte zu bewältigen.
Die Regierung Santos hat eine spürbare Erhöhung staatlicher Investitionen in die Infrastruktur vor. Diese Maßnahmen dürften zu einer weiteren Belebung der Binnennachfrage führen. Noch höhere Wachstumsraten hängen auch von der weiteren Entwicklung in den USA, den Nachbarstaaten und der EU ab, den bislang wichtigsten Exportmärkten. Eine zunehmende Bedeutung als Handelspartner kommt darüber hinaus der VR China zu.
Anlass zu Optimismus gibt, dass Kolumbien nach mehreren Jahren starken Wachstums und solider Fiskalpolitik über stabile Finanzen verfügt und die meisten Unternehmen ausreichend mit Eigenkapital ausgestattet sind. Positiv wirkt sich auch die insgesamt deutlich verbesserte Sicherheitslage aus. Wachstumsbremsen sind Infrastrukturengpässe, eine schwerfällige Justiz, der unzureichende Zugang von KMU zu Kapital sowie das erhebliche Ungleichgewicht der Einkommensverteilung.